Die metallenen Fahrradständer, Artefakte des universitären Alltags, haben sich zu Türmen erhoben. Für drei Tage wurden diese Skulpturen im Mensainnenhof zur raumstationären Basis: Besucher*innen des Genius Loci Festivals wurden hier mit Erkundungstoolkits ausgestattet, die sie auf eine Nachterkundung zum Aufspüren Weimars dysfunktionaler Räume schickten. Aus den Besucher*innen des Festivals wurden so in den Stunden der Dämmerung aktive Stadtforscher*innen. Abseits der prominent bespielten Fassaden spürten sie vergessene, unbeachtete, gemiedene oder funktionslose Räume auf. Eine zugemauerte Tür, akkurat würfelförmige Büsche und eine Baulücke erwarteten die durch-die-Nacht-Streifenden mit ortsspezifischen Aufgaben. Ein Würfel und der Zufall bestimmten den Weg, auf welchem außerdem neue dysfunktionale Orte, Angsträume, Unorte oder Bruchstellen der Stadt aufgespürt werden konnten.
Den Abschluss der Nachterkundungen boten gemeinsame Runden an einem kollektiv zum Picknickplatz umgedeuteten Ort – der Tiefgarage beim Beethovenplatz. Hier sprachen wir darüber, wie sich die Wahrnehmung für die städtischen (Un-)Orte verändern kann, wenn wir uns bewusst durch die Stadt bewegen und Ausschau halten; wenn wir fremde Personen verfolgen, Passant*innen nach den geheimnisvollsten oder grausamsten Orten fragen, blind durch die Stadt geführt werden oder den Würfel unsere Richtungen bestimmen lassen.
Gemeinsam haben wir die dysfunktionalen Orte so aus ihrer Unsichtbarkeit geholt und zum Sprechen gebracht. Nun sieht jetzt wohl manch eine*r symmetrische Sofas statt Büschen den Bahnhofsvorplatz bestücken. Aus der Baulücke wurde ein Ort des Verweilens und die zugemauerte Tür forderte uns auf, den Brief zu schreiben, den wir schon immer mal schreiben wollten. Fahrradständer wurden enttarnt als Turm- und Möbelbaukästen und die Tiefgarage lud uns ein, bei Kerzenschein ein Gläschen Wein zu trinken. Mögen unsere Augen auch künftig wachsam unsere Städte nach den vergessenen, dysfunktionalen Orten durchstreifen.