Visionen, Ideen und Projektansätze für die Stadt der Zukunft sammeln und die Möglichkeiten der Zukunft feiern – das war Ziel des stattutopie festivals in Basel. Das Festivals war gedacht als offene Einladung an alle: An Interessierte, die sich zu Workshops anmelden oder Referate besuchen, an Passantinnen, die nur in den Räumlichkeiten verweilen oder ihre Meinung hinterlassen oder an Kinder, die an einem Stadtspiel teilnehmen und so spielerisch ihre Ansichten und Wünsche miteinbringen. Auch die Ergebnisse sollten möglichst offen und zugänglich präsentiert werden. Aus ihnen soll eine Plattform entstehen, um auch nach Abschluss des Festivals an den gesammelten Ideen weiterzuarbeiten, sie als Anstoß für einen weiteren Diskurs und ihre Umsetzung verwenden zu können.
Die Raumstation war eingeladen, einen Workshop zu gestalten: Mit den Teilnehmenden versuchten wir den jeweils individuellen Reiz und die Besonderheit »der Stadt« auszumachen und ließen uns mit den verschiedenen Sichtweisen im Hinterkopf durch Basel leiten. »Grauzone – betreten erwünscht« war der Titel unseres Workshops, und die Grauzone wollten wir betreten. Denn die Stadt ist voller Grauzonen, in denen Neues ausprobiert, alltägliches Verhalten unterbrochen und hinterfragt werden kann.
An einer besonders belebten Stelle der Innenstadt wurde der an Geschäften und Lokalen vorbeiführende Gehweg von einem Baustellengerüst überlagert und in einen tunnelartigen Gang verwandelt. Ein- und ausströmende Menschen, teilweise kleine Warteschlangen erinnerten uns an das Verhalten vor einer wirklichen Eingangstür. Aber warum sollte an diesem temporären Nicht-Ort hinter dem Eingang nicht doch etwas ganz anderes auf Passanten warten?
Aus einigen Packungen Rettungsfolie, Pappen, Kabelbindern und Tape entwickelte sich die »KunstBaustelle« des fiktiven »Museums für partizipative Gegenwartskunst«. Mit goldenen Vorhängen und Schildern einen Eingang geschaffen, erschloss sich dahinter das »Museum« mitsamt Ausstellung auf der KunstBaustelle: Vier Rahmen warteten auf Gemälde, bereits mit Erläuterungsschildchen versehen — die Stifte für Passanten, also potentielle Kunstschaffende, bereitgehängt an Neonschnur.
Schon während des Aufbaus des Museums wurden die ersten besorgten Fragen und skeptischen Bemerkungen laut. Wie weit darf unsere selbsterteilte Erlaubnis zur Veränderung reichen? Wir hatten den Spielraum ausgelotet, der Gerüstbauer (»Und was ist, wenn da jetzt ein Kontrolleur vorbeikommt? Naja, bis morgen früh können sie das hängen lassen«) und der Besitzer des angrenzenden Restaurants (»Das ist doch nicht schön! Weg da, das ist unser Platz!«) setzten uns Grenzen. An dieser Stelle war die Grauzone ausgelotet.
»Es scheint, dass das Format Festival einen Nerv getroffen hat – indem wir das Thema Stadtentwicklung weg vom Fachdiskurs, mitten hinein in die Bevölkerung gesetzt haben«, fasst Livia Matthäus zusammen. »Wir haben bewusst keine bestimmte Zielgruppe angesprochen und damit enorm viele Leute erreicht. Das hat mir bestätigt, dass das Thema eine breite Masse persönlich bewegt und neue Wege der Kommunikation mit der Bevölkerung gefunden werden müssen, wenn man ernsthaft „Partizipation“ in der Stadtentwicklung betreiben will.« Weiterhin betont sie, »dass es scheinbar ein riesiges Potential an gestaltungsfreudigen Menschen in der Stadt gibt, welche gut und gerne ihre Gedanken und Zeit in eine nachhaltige Stadtgesellschaft investieren, sofern sie sich ernst genommen fühlen und der Diskurs auf einer gleichberechtigten Ebene geführt wird.«
Konzeption und Leitung des Workshops: Nija-Maria Linke, Rebecca Wall, Paula Pons, Tatjana Zemeitat, Katrin Hünsche, Gunnar Grandel
Fotos: Nija-Maria Linke, Rebecca Wall, Gunnar Grandel