Im Rahmen der Forschungswerkstatt 2019 des Arbeitskreises Kritische Geographie bot die Raumstation Berlin einen Workshop in Form eines Spaziergangs an. Ziel war es, unbeachtete, vergessene, absurde, objekthafte, verschwundene, zukünftige Orte rund um die Mehringhöfe (den Veranstaltungsort der FKG) zu beobachten und zu erfinden. Entlang einer eigens festzulegenden Route, nahmen die Teilnehmer*innen in Kleingruppen Räume* in ihrer Transformation wahr und wurden selbst situativ Teil von dieser. Mit Wahrnehmungs- und Aneignungsmethoden wurden Reflexionen und Erfahrungen im Stadtraum ermöglicht. Die gewonnenen Einblicke, Begegnungen und Reflexionen wurden im „Logbuch 61“ dokumentiert und anschließend zusammen mit ausgedruckten Life-Fotos der Aktionen in den Mehringhöfen ausgebreitet und diskutiert.
*1 In der „Urbanen Wildnis“ wurde die Aufmerksamkeit auf das Erkunden der Flora auf dem Dragoner Areal gelenkt, die sich Teile des Areals zurückerobert. Im Anschluss an diesen spezifischen und fokussierten Blick, wurde nach einer diagrammatischen Einschätzung der vergangenen und aktuellen Nutzungen dieses (geschichtlich) vielschichtigen Ortes gefragt.
*2 In „Die letzte ihrer Art“ wurde eine analoge Funk-Taxisäule als ein vom Aussterben bedrohtes und selten beachtetes Relikt der Vergangenheit, welches Verwitterung ausgesetzt, dennoch aber (noch) Teil unserer gebauten Umwelt ist, performativ zelebriert.
*3 Im „Archiv der verschwundenen Säulen“ wurde eine Litfaßsäule mit Bildern ihrer Artgenossinnen, die in den letzten Monaten auf unbestimmte Zeit in Berlin abgebaut wurden, beklebt. Anschließend wurden Blitzinterviews mit Passant*innen zur Wahrnehmung der Litfaßsäule und ihres Verschwindens im Stadtraum geführt.
*3 In „Hacking Masculinity“ wurde ein historisches Berliner Urinal – ein Café Achteck – zu einem Lautsprecher für feministische Botschaften transformiert. Es wurde „Ein Klo für alle!“ gefordert.
*4 In „Der direkte Weg“ wurden Spuren und Bewegungen von Menschen, die das räumliche Hindernis einer Baustelle umgangen und in Frage gestellt haben, beobachtet und dokumentiert – bevor selbst in das „System Baustelle“ eingegriffen wurde.
*5 In „The Strip“ wurde eine spezialisierte KFZ-Gewerbe-Straße unter die Lupe genommen und analysiert anhand welcher Kriterien sich die Gewerbetreibenden unterscheiden/überbieten. Anschließend wurde der beste Verkaufsort ermittelt und prämiert.
Die Teilnehmer*innen spiegelten zurück, dass sie es spannend fanden, den Räumen aufmerksamer/ fokussierter/ bewusster/ frei von Vorannahmen begegnet zu sein. Sie begrüßten, dass es bei den Aufgaben um ihre eigenen Gefühle im Raum ging und die Erfahrung mit anderen Menschen im Raum in Kontakt zu kommen. Die Teilnehmer*innen sprachen von erlebten Gefühlen der Selbstermächtigung und einem „Aus-Sich-Rauskommen“ während der Aktionen. Sie berichteten, durch die Aufgaben andere/genauere Wahrnehmungen bestimmter Orte erlangt zu haben.
Zum Arbeitskreis Kritische Geographie:
Selbstbeschreibung des AKG.: „Der offene Arbeitskreis Kritische Geographie steht im Zeichen einer Geographie jenseits des nationalstaatlichen Herrschaftsapparates und kapitalistischer Verwertungslogik. Anstatt von Wirtschaftsförderung zu sprechen und mehr oder weniger verdecktem Rassismus und Sexismus einen Raum zu bieten, sprechen wir von Kapitalismuskritik, Antinationalismus und feministischer Geographie. Statt eine Geographie über Andere zu betreiben, wollen wir gemeinsam Geographie mit Menschen machen – insbesondere mit und für diejenigen, denen gesellschaftliche Teilhabe verwehrt wird.“