(Intervenieren zwischen Ampeln, Inseln und goldenem Kiosk)

Intervenieren zwischen Ampeln, Inseln und goldenem Kiosk

Der autogerecht gestaltete Sophienstiftsplatz in Weimar war ein frühes Experimentierfeld des Kollektivs Raumstation: Die längst überholte Zukunftsverheißung, die diesem Ort noch innewohnte, hatte uns in ihren Bann gezogen.

von Jonathan Joosten

Projektbeschreibung: Intervenieren zwischen Ampeln, Inseln und goldenem Kiosk

Der Sophienstiftsplatz passte so gar nicht in das Weimar der vielen gemütlichen historischen Plätze. Die zahlreichen Ampeln, sechs Verkehrsinseln und die überdimensionierten Straßenlaternen zeugten hier von der einstmals fortschrittlichen Vorstellung einer autogerechten Stadt, die scheinbar auf das Gegenteil dessen verwies, was die Stadt heute ist. Nach Jahren der Kritik wird dieses Relikt aus einer anderen Zeit seit dem Beginn der Abrissarbeiten im Jahr 2020 nun endgültig aus der Stadt verschwinden. Der Sophienstiftsplatz wurde bis dahin von vielen Menschen in Weimar im Alltag überquert: Er war für die quälend langen Wartezeiten an den Ampeln bekannt und äußerst unbeliebt. Am Rande des Platzes befand sich ein  Zeitungskiosk aus den 1960er Jahren, der von der studentischen Ausstellungsplattform marke.6 der Bauhaus-Universität Weimar genutzt wurde und nach den Bauarbeiten wieder dort aufgebaut werden soll.

Der befremdliche wie faszinierende Ort hatte uns früh inspiriert und wurde zu einem Ausgangspunkt für erste Interventionen des Kollektivs.  Diese entstanden aus unseren wöchentlichen basisdemokratischen Plena und waren forschend und spielerisch, mal spontan, mal lang geplant und durchdacht.

Das Kollektiv Raumstation ist als Initiative im Umfeld der Bauhaus-Universität entstanden, in der viele Mitglieder einen Hintergrund in der Urbanistik oder Architektur, aber auch Visuellen Kommunikation oder Medienkultur mitbrachten. Viele wurden davon motiviert, die Gedanken aus der jeweiligen Disziplin mit dem Drang zur praktischen Anwendung im eigenen Umfeld zusammen zubringen. Im Rahmen der thüringischen Mittelstadt Weimar und des universitären Hintergrunds ergaben sich am Sophienstiftsplatz für uns Möglichkeiten und der Anspruch, in der Stadt aktiv zu werden und in eine Öffentlichkeit einzuwirken.

Der recht einfach von uns nutzbare Kiosk stellte etwa eine wichtige Ressource dar: Bei diversen Aktionen wie “Rot ist die Farbe der Liebe” und der “Zentralen Zeitausgabestelle” stand er im Mittelpunkt. Zudem liegt der Platz in unmittelbarer Nähe zu den Räumlichkeiten des “Ladens” (Der Laden Weimar – Verein für Kunst und Kultur e.V.), einem charmanten Freiraumprojekt, in dem die Raumstation Weimar bis heute ihre Plena abhält und die Werkstatt mit allerlei kuriosen Materialien für ihre Interventionen nutzt.

In einer kleinen Stadt wie Weimar ist es auch manchmal einfacher, Menschen zu mobilisieren und Aufmerksamkeit zu generieren. Gleichzeitig hatten wir das Privileg, uns als Studierenden einer kreativen Universität bei Konfrontationen mit Ordnungsbehörden wenig Sorgen machen zu müssen, weil diese an ungewöhnliches Verhalten von Studierenden gewohnt waren und auch mal ein Auge zudrückten. Es ist dieser besondere, im Vergleich zu Großstädten vielleicht etwas überschaubarere Kontext, in dem wir gemeinsam Experimentieren und uns als Kollektiv vernetzen konnten.

Am Sophienstiftsplatz konnten wir erste Erfahrungen mit performativen Ansätzen sammeln. Mit dem Ziel, die Eigenarten offen zu erkunden, aber auch ein Bewusstsein für die problematische Aspekte zuschaffen, entstand durch das schrittweise „einfach Machen“ in der Öffentlichkeit und seiner Reflexion ein immer wieder auftauchendes Motiv der Raumstation: Das performative Umdeuten eines Raumes durch temporäre Interventionen, verstanden als politische Praxis.

Mit dem Verhältnis von performativ-ästhetischen Interventionen und politischer Veränderung beschäftigen wir uns auch in „Die Raumstation und der Verkehr“